Warum der Umsatz wenig über die Zufriedenheit der Kunden aussagt

Warum der Umsatz wenig über die Zufriedenheit der Kunden aussagt

Vor kurzem stieß ich auch eine interessante Studie der University of Technology in Sydney (UTS), die im Journal of International Business Studies veröffentlicht wurde. Danach ist die Kundenzufriedenheit weltweit zur wichtigsten Kennzahl für Marketing-Manager geworden. Sie beeinflusst mehr als die Hälfte aller Marketing-Entscheidungen. In ihrer Beliebtheit liegt sie noch vor der Awareness und dem Return of Investment.

Der Hauptgrund, warum die Kundenzufriedenheit zu einem so wichtigen Kriterium geworden ist, liegt auf der Hand: der Aufstieg der Experience Economy. Für 80 % der Konsumenten ist das Erlebnis ebenso wichtig wie das Produkt selbst. Zu dem Ergebnis kommt Salesforce in der zweiten Ausgabe des „State of Connected the Customer“-Reports.

LÄSST SICH NICHT SO EINFACH MESSEN

Kein Wunder also, dass Kundenzufriedenheit als Messgröße so beliebt ist, wenn die Customer Experience Performance zu einem Schlüsselfaktor des Unternehmenserfolg wird. Aber wer sie messen will, steht vor zwei großen Herausforderungen.

Zu einen gibt es keine Standarddefinition für die Kundenzufriedenheit. Die Schwierigkeit besteht darin, dass sie vollkommen subjektiv ist. Sie ergibt sich aus der Differenz zwischen subjektiver Erfahrung und den subjektiven Erwartungen des Kunden. Übertrifft die Erfahrung seine Erwartungen, ist er sehr zufrieden, wenn nicht gar begeistert. Entsprechen sich beide nur, ist er lediglich zufrieden. Das reicht meist nicht für eine nachhaltige Kundenbindung.

Wer die Kundenzufriedenheit messen will, steht gleich vor zwei großen Herausforderungen.

Gleichzeitig müssen sich die Unternehmen noch einer weiteren Herausforderung stellen: Die Connected Shopper von heute sind anspruchsvoller denn je. Laut Salesforce geben fast 70 % von ihnen an, dass ihre Maßstäbe für eine gute Erfahrung gestiegen sind. Mit 08/15-Erfahrungen geben sie sich nicht zufrieden. Und was heute innovativ und kreativ ist, kann morgen schon ein alter Hut sein. Die Spirale der Erwartungen schraubt sich immer weiter nach oben.

GERN GENOMMEN, ABER WENIG RELEVANT

Das macht es umso erforderlicher, die Performance der Customer und Shopper Experience zu bewerten. Dafür stehen den Unternehmen zahlreiche Key Performance Indicators zur Verfügung, um die Zufriedenheit der Kunden mit einer Erfahrung in eine quantitative Größe umzuwandeln. Doch welche Metrik eignet sich dazu am besten?

Einfache Finanzkennzahlen zielen zu kurz. Es fehlt ihnen die langfristige Perspektive.

Vor allem kleine und mittlere Unternehmen lassen sich in ihren Marketingentscheidungen gerne von einfachen Finanzkennzahlen leiten – primär vom Umsatz. Er wird gerne genutzt, um Marketingaktivitäten zu rechtfertigen, die auf kurzfristigen Gewinn abzielen. In hart umkämpften Märkten kann das überlebenswichtig sein. Doch eine solche Sichtweise kann ebenso leicht in die Irre führen.

Bei der Bewertung der Customer Experience Performance und wie sehr Kunden mit ihr zufrieden sind, empfiehlt es sich, eine langfristige Perspektive einzunehmen. Das Interesse an der Kundenzufriedenheit wird ja von der Überzeugung getrieben, dass zufriedene Kunden über einen längeren Zeitraum hinweg mehr wert sind als weniger zufriedene Kunden.

ES IST NICHT ALLES GOLD, WAS GLÄNZT

Für die Einbeziehung der Kundenzufriedenheit in Marketingentscheidungen wird gerne der Net Promoter Score (NPS) herangezogen, der sie in Relation mit dem Umsatzwachstum setzt. Dieses Konzept wird wegen seiner Einfachheit gerne genommen. Es ist aber auch nicht unumstritten.

Der Zusammenhang zwischen NPS und Unternehmenserfolg, den Frederick F. Reichheld¹, der die Methode mit entwickelt hat, für über 30 Branchen empirisch belegt und entsprechende Benchmarks ermittelt hat, konnte durch eine Studie², die Reichhelds Ergebnisse replizieren wollte, nicht belegt werden. Außerdem stammen Reichhelds Ergebnisse aus den USA und Großbritannien und lassen sich nicht ohne Weiteres auf andere Länder übertragen.

ES KLINGT EINFACHER ALS ES IST

Wesentlich differenzierter ist da schon der Customer Lifetime Value (CLV). Mit dieser Messgröße wird der durchschnittliche Wert ermittelt, den ein Kunde im Laufe der Jahre für ein Unternehmen hat und in der Zukunft haben wird. Für die Berechnung werden sowohl die historischen Erlöse als auch die zukünftig zu erwartenden Umsätze berücksichtigt, also das Potenzial eines Kunden.

Das Dilemma, ist das sich die Customer Experience Performance nur schwer evaluieren lassen.

Das klingt einfacher als es ist und erklärt möglicherweise, warum relativ wenige Unternehmen ihn anwenden. Da ist zum einen das grundsätzliche Problem von Vorhersagen: ihre Unsicherheit. Zum anderen ist es gar nicht so leicht, alle Transaktionen zu berücksichtigen, die ein Kunde getätigt hat. Dazu müsste über seine Kaufhistorie exakt Buch geführt werden.

Wir stehen also vor dem Dilemma, das sich Aussagen über die Customer Experience Performance und die daraus resultierende Kundenzufriedenheit nur schwer evaluieren lassen. Es bleibt jedoch unumstritten, dass eine Customer und Shopper Experience, die die Kunden begeistern, wesentlich zum Erfolg eines Unternehmen beitragen. Schließlich haben sie großen Einfluss auf die Bereitschaft der Kunden, ein Produkt weiterzuempfehlen, es wiederzukaufen, ein weiteres Produkt der Marke zu kaufen oder gar einen höheren Preis für das Produkt zu zahlen.

Als Ausweg empfiehlt es, die Kunden und ihre Erwartungen schon bei der Gestaltung der Customer und Shopper Experience frühzeitig in den Experience Design Prozess miteinzubeziehen.

 

Quellennachweise:

¹ Frederick F. Reichheld: The number one you need to grow. In: Harvard Business Review, 12/2003, S. 47–54.
² T. L. Keiningham, L. Aksoy, B. Cooil: Linking Customer Loyalty to Growth. In: MIT Sloan Management Review, 2008, S. 50–57.

 

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Vorschaubild: Shutterstock

Wolf Thiem