Was mich am Einkaufen nervt

Was mich am Einkaufen nervt

Da ich am Wochenende gerne koche, bin ich auch für die Einkäufe zuständig. Meine Frau überlässt mir beides übrigens liebend gern. Meine Samstagvormittage sehen also so aus: Zuerst fahre ich mit dem Fahrrad zum neuen Bäcker in unserem Viertel – echt cooler Laden – und anschließend zum Wochenmarkt, wo es leckeren Cappuccino gibt. Danach mache ich mich mit dem Auto auf den Weg zu meinem präferierten Supermarkt, um die Wocheneinkäufe zu erledigen. Ab jetzt bin ich genervt und zeige mich dabei nicht immer von meiner besten Seite.

Die meisten Lebensmittelhändler glauben, dass sie ihren Kunden stets eine gute Shopper Experience bieten. Doch das deckt sich nicht mit der Meinung der Kunden.

Würden Sie den Marktleiter fragen, ob er ahnt, worüber ich mich so aufrege, würde er wahrscheinlich den Kopf schütteln. Aus seiner Sicht ist alles bestens. Diese Vermutung legt eine Studie von Blue Yonder¹ nahe. Danach glauben die meisten Lebensmittelhändler, dass sie ihren Kunden stets eine gute Shopper Experience bieten. Doch das deckt sich nicht mit der Meinung der Kunden. Sie sind nicht ganz so zufrieden, wie die Händler glauben.

Ein besonders wunder Punkt ist die Warenverfügbarkeit. 83 % der befragten Shopper erklärten, dass sie Schwierigkeiten im Supermark haben, immer das gesuchte Produkt zu finden. Bei den Discountern sind es sogar 85 %. Natürlich kann es einmal vorkommen kann, dass ein Produkt „out of stock“ ist. Aber es scheint die Regel und keine Ausnahme zu sein. Mehr als ein Drittel der Befragten kommt einmal die Woche in die Situation, nicht die gewünschten Waren vorzufinden. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen, und ich kann sagen: Es nervt.

Erstaunlich ist jedoch, dass die Händler die Situation vollkommen anders einschätzen. 91 % sind der Ansicht, dass sie ihre Waren zuverlässig bereitstellen. Diese Aussage überrascht insofern, als sich fast die Hälfte der Führungskräfte bei der Warendisposition auf ihr Bauchgefühl verlassen. Das ist leichtsinnig. Denn eine Fehleinschätzung der Warenverfügbarkeit kann fatale Folgen haben.

Die Kunden im LEH hatten noch nie eine so große Auswahl an Einkaufsmöglichkeiten wie heute. In Großstädten finden sie oft mehrere Supermärkte und Discounter in direkter Nachbarschaft. Wenn sie einmal oder mehrmals bei einem Händler nicht das finden, was sie suchen, gehen sie einfach zu einem anderen. Das machen 35 % der deutschen Shopper so. Für 20 % ist es sogar ein Grund, den Händler vorübergehend oder gar dauerhaft zu wechseln.

Mangelnde Verfügbarkeit von Waren kann einem Händler also als kurz- und langfristig schaden. Für Abhilfe könnten KI-gestützte Technologien sorgen, die lernen, die Warendisposition automatisiert an das Einkaufsverhalten der Shopper anzupassen. Dadurch könnten – nach Aussage von Blue Yonder – „Handelsunternehmen ihre Out-of-Stock-Raten um bis zu 80 % reduzieren und ihren Umsatz und Gewinn um mehr als 5 % steigern“.²

Warum ich immer noch zum selben Supermarkt fahre, obwohl ich so nervt bin? Ganz einfach. Ich brauche mich dort nicht mit anderen gestressten Shoppern um freie Parkplätze zu prügeln. Das ist ein guter Grund, nicht wahr? Aber vielleicht gehe ich demnächst auch dazu über, meine Wocheneinkäufe online zu machen.

 


 

Quellennachweis:

¹ Blue Yonder: Customer Experience im Lebensmittelhandel: Frische macht den Unterschied. Eine globale Studie mit 4.000 Konsumenten zu Produktfrische und -verfügbarkeit, Dezember 2016.
² https://www.blue-yonder.com/de

Wolf Thiem